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6. Januar 2020

Wie schaffen wir seniorenfreundlichere Regionen?

Anlass zu diesem Beitrag ist eine kürzlich veröffentlichte ZDF-Studie über seniorenfreundliche Regionen mit einem Ranking von 401 Landkreisen und Städten. In der Studie wurde der Frage nachgegangen, was Regionen seniorenfreundlicher macht.

Im Auftrag des ZDF hat das Prognos-Institut hier einen Ansatz mit zahlreichen objektiven Daten gewählt, der allerdings wichtige subjektive Kriterien einzelner Menschen, wie z. B. soziale Netzwerke, nicht berücksichtigen kann.

Es geht in diesem Blogbeitrag nicht um eine wissenschaftliche Bewertung der Studie, sondern um praktische kommunale Ansatzpunkte zur Verbesserung der Lebensqualität für ältere Menschen.

 

Top Ten der „seniorenfreundlichsten Regionen“

Unter den sechs seniorenfreundlichsten Regionen befinden sich fünf Ostregionen. Bei den Bestplazierten sorgten meist überdurchschnittliche Beurteilungen zu Themen wie Gesundheit (z. B. gute Erreichbarkeit von Gesundheitsanbietern), Sicherheit, Infrastruktur, Wirtschaft oder Demografie  für eine gute Platzierung. Die Beurteilungen zu den Themen Wohnen oder Freizeit waren für die Bestplatzierten dagegen oft unterdurchschnittlich.

Hier die Top Ten der „seniorenfreundlichsten Regionen“ in Deutschland:

  1. Jena, kreisfreie Stadt
  2. Suhl, kreisfreie Stadt
  3. Hochtaunuskreis
  4. Dessau-Roßlau, kreisfreie Stadt
  5. Dresden, kreisfreie Stadt
  6. Potsdam, kreisfreie Stadt
  7. Ludwigsburg, Landkreis
  8. Enzkreis
  9. Böblingen, Landkreis
  10. Rhein-Neckar-Kreis

Da hier die meisten Aspekte als sehr seniorenfreundlich beurteilt wurden, könnte hier eine Strategie in Richtung „Beseitigung oder Reduzierung der Schwächen“ sinnvoll sein. Im Falle von Jena könnten dies Maßnahmen zur Stärkung des Ehrenamtes, mehr Bildungs-, Sport- oder Kulturangebote sowie kostengünstige Wohnangebote sein.

Aus externer Sicht ist eine Beurteilung allerdings schwierig, da interne Prozesse und Planungen nicht bekannt sind. Zudem ist aus unserer Erfahrung immer ein datenbasiertes und partizipatives Vorgehen unter Beteiligung kommunaler Akteure aus Politik, Verwaltung, Wohlfahrtsverbänden oder Zivilgesellschaft sinnvoll.

 

Bessere Daseinsvorsorge als Lösung für schlechter platzierte Regionen

Schlechter platzierte Regionen werden relativ gut bei den Themen Wohnen (z. B. niedrige Wohnkosten) und Freizeit (Fläche für Sport und Erholung) beurteilt. Deutlich schlechter sind dagegen die Erreichbarkeit von Gesundheitsangeboten (Krankenhäusern, Apotheken, Ärzten), Einkaufsmöglichkeiten, ÖPNV oder Breitbandversorgung.

401. Eifelkreis Bitburg-Prüm
400. Lüchow-Dannenberg, Landkreis
399. Ostprignitz-Ruppin, Landkreis
398. Prignitz, Landkreis
397. Ludwigslust-Parchim, Landkreis
396. Uckermark, Landkreis
395. Freyung-Grafenau, Landkreis
394. Vulkaneifel, Landkreis
393. Cham, Landkreis
392. Vorpommern-Greifswald, Landkreis

Tendenziell unterdurchschnittlich ist die Beurteilung mancher ländlicher Regionen auch bei der Verkehrssicherheit (Anteil der im Straßenverkehr verunglückten Älteren). Dies liegt sicher zu einem großen Teil an der schlechten Erreichbarkeit von Dingen des täglichen Lebens, die dazu führen, dass Ältere überdurchschnittlich den eigenen PKW nutzen.

Da bei vielen unterdurchschnittlich platzierten Regionen die Daseinsvorsorge ausschlaggebend ist, liegen hier mögliche Ansatzpunkte. Wobei es natürlich kaum möglich ist, schnell eine bessere Infrastruktur zu realisieren.

Schneller realisierbar sind Angebote wie Mitfahrbörsen, Fahrgemeinschaften oder Bürgerbusse, die die Situation für Ältere durchaus verbessern und entfernte Angebote erreichbar machen. Hilfreich sind auch Zeittauschbörsen oder Bürgerzentren, Mehrgenerationenhäuser, in denen sich Jung und Alt informieren, austauschen und gegenseitig unterstützen können.

Lösungen zur Gesundheitsversorgung sind Ansätze wie „Gemeindeschwester AGnES“ (Arztentlastente, Gemeinde-nahe, E-Health-gestützte, Systemische Intervention), Patientenfahrservice oder Medizinische Versorgungszentren (MVZ).

Möglichkeiten zur Daseinsvorsorge sind aber auch mobile Dorfläden oder Dorfläden als Gemeinschaftsprojekte von den Bürgern.

Es kann durchaus möglich sein, dass viele dieser oder anderer Lösungen bereits umgesetzt sind und trotzdem eine schlechte Platzierung erfolgt, weil dies in der ZDF-Studie natürlich nicht berücksichtigt werden kann. Insofern gilt auch hier der Grundsatz, dass jede Region ihre eigenen Lösungen individuell erarbeiten müssen und hierzu können unserer Erfolgsfaktoren hilfreich sein.

 

Erfolgsfaktoren einer zukunftsorientierten Seniorenpolitik

Aus den begleitenden Evaluationen unser kommunalen Workshops wissen wir, dass es einige Erfolgsfaktoren gibt, die bei der Planung und Realisierung von Maßnahmen entscheidend sein können:

  1. Strategisch vorgehen
  2. Datenbasis erstellen (z. B. www.wegweiser-kommune.de, statistische Landesämter oder repräsentative Seniorenbefragungen)
  3. Politik, Akteure und Bevölkerung sensibilisieren und Handlungsdruck erzeugen
  4. Parteiübergreifenden Konsens erzeugen
  5. Ältere einbinden, Akteure vernetzen und Bürger beteiligen
  6. Anerkennungskultur entwickeln
  7. Gute Beispiele nutzen
  8. Interkommunal kooperieren (gilt besonders für Landkreise)
  9. Ressourcen bereitstellen
  10. Trends und externe Begleitung nutzen

Foto Erika Wittlieb  / Pixabay – Pixabay License, https://pixabay.com/de/service/license/

 

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  • Elke Schilling, Silbernetz e.V. wrote on 09.01.2020

    Ich habe nicht den Eindruck, dass die Studie hinterfragte, wie die Senior_innen an die notwendigen Informationen zu für sie wichtige Angebote kommen – was für mich auch als „altersfreundlich“ gelten würde. Laut den Ergebnissen der Stiftung Digitale Chancen sind 10 Mio Ältere nicht im Internet unterwegs. Zum anderen sind die vorherrschenden Altersstereotype einer positiven Auseinandersetzung mit dem Älterwerden hinderlich, was dazu führt, dass viele garnicht wissen, wonach sie gezielt fragen könnten, um Vorhandenes zu erkunden. Ich würde mir eine Umfrage unter Älteren wünschen, die erkundet, warum so viele, egal, ob 60 oder 90 sich nicht als „alt“ betrachten, warum sie weder „Senioren“ noch Ältere“ oder gar „Alte“ als Bezeichnung für sich akzeptieren (können).

    • wwaehnke wrote on 09.01.2020

      das stimmt, es war keine Seniorenbefragung und die wären natürlich sehr wichtig, um eine Basis zu ermitteln. Jede Kommune und jedes Quartier ist anders und dazu braucht es repräsentative Befragungen, wie z. B. in Hinte https://www.hinte.de/dienstleistung/seniorenbuero-seniorenpolitisches-konzept.html.
      Meine Erfahrung aus Workshops bestätigt auch die kontroverse Begriffsdefinition und ich habe noch keine zufriedenstellende Lösung gefunden – Best Ager ist ja sicher auch nicht die Lösung

  • Elke Schilling, Silbernetz e.V. wrote on 09.01.2020

    Da wäre noch etwas: Warum gibt es eigentlich nicht eine einzige deutsche Kommune, die der UN-Initiative Agefriendly Cities angehört? Wir haben „demenzfreundliche Kommunen“, was ich einerseits sehr wichtig und andererseits äußerst problematisch, weil stereotypverstärkend finde.

    • wwaehnke wrote on 09.01.2020

      Ich habe vor einigen Jahren mal in Radevormwald einen Demografie-Workshop moderiert und meine mich erinnern zu können, dass Radevormwald jetzt eine „Agefriendly City“ ist

  • wowo wrote on 09.01.2020

    Verkehrssicherheit:
    als jahrelanger Mitarbeiter der Verkehrswacht sehe ich besonders a.d.Lande (hier Westerwald) wo scheinbar noch 100 jährige hinters Steuer gezwungen werden da Alternativen einfach nicht vorhanden sind, für uns Alle noch sehr viel zu tun.
    Packen Wir es an.