Autos auf der Adutobahn
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31. Oktober 2018

Wir basteln uns einen Grenzwert

Es ähnelte schon fast einem Husarenstreich – im Nachhinein allerdings hätte es ein Rohrkrepierer par Excellence werden können.

Die Bundeskanzlerin hatte allen Ernstes vor, die Hürden für Sperrzonen älterer Dieselmodelle in gefährdeten Städten zu erhöhen. Dazu sollte – gewissermaßen im Handstreich – das Bundesimmissionsschutzgesetz so geändert werden, dass Fahrverbote bei geringer Überschreitung der Grenzwerte als unverhältnismäßig eingestuft werden könnten. Diese sollten künftig „lockerer gehandhabt“ werden. Statt ab 40 sollten Fahrverbote erst ab 50 Mikrogramm Stickoxid je Kubikmeter Luft drohen. Das ist bemerkenswert angesichts einer aktuellen Studie, die nachdrücklich auf die Gefahren hinweist, denen Kinder ausgesetzt sind, die regelmäßig verschmutzte Luft einatmen.

Freie Fahrt vor der Wahl inklusive Rückruf

Fahrverbote sollten beispielsweise in Frankfurt am Main vermieden werden. Dass es gerade diese Stadt war, die besondere Erwähnung fand, kann kein Zufall sein. Denn die Diskussion fand unmittelbar vor der Wahl in Hessen statt. Es liegt die Vermutung nahe, dass kurz davor, im letzten Augenblick, von den Wählern ungeliebte Fahrverbote verhindert werden sollten. Schon aus diesem Grund hat die Angelegenheit ein „G’schmäckle“.

Aber auch rein sachliche Gründe zeigen, dass das Ansinnen von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Denn die Schadstoffwerte in der Mainmetropole sind so hoch, dass sie den aktuellen Zahlen zufolge zu den sogenannten Intensivstädten gehört. Es gibt also angesichts der europäischen Regelungen gar keinen Ermessensspielraum, der genutzt werden könnte. Das Bundesverwaltungsgericht hat nun einmal entschieden, dass die Grenzwerte schnellstmöglich eingehalten werden müssen.

Grünen-Chefin Annalena Baerbock bezeichnete die avisierte Gesetzesänderung denn auch postwendend als „hanebüchen“. In erster Linie die Automobilhersteller seien in der Verantwortung, dass die Grenzwerte eingehalten werden. Dort müsse Druck ausgeübt werden, anstatt an den Vorgaben und damit an der sauberen Luft in den Städten herumzuschrauben.

Mittlerweile hat die Kanzlerin versichert, am Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter nicht weiter zu rütteln. „Der gilt, das ist europäisches Recht“, war eilig aus Berlin zu hören.

Transformation der Autoindustrie

Was wir viel dringender brauchen, ist eine grundlegende Neuausrichtung der automobilen Zukunft, die diesen Namen wirklich verdient. Die Financial Times bringt es auf den Punkt, wenn sie fragt: „Can Germany survive the ‘iPhone moment‘ for cars?“. Die entscheidende Innovation des iPhones, als es 2007 auf den Markt kam, bestand darin, dass eine Reihe von Innovationen in einem einzigen Gerät zusammen kamen: ein viel besseres Telefon, ein überragender MP3-Player und eine Spitzenkamera.

Übertragen auf das Auto der Zukunft könnte das folgendermaßen aussehen: Ein elektrisches, sich selbst steuerndes „Wohnzimmer auf Rädern“, sicher verbunden mit dem Internet, das weit öfter unter den Nutzern geteilt wird, als dass sie es selbst kaufen.

Jede Innovation in diese Richtung ist eine Investition in die Zukunft nachhaltiger Mobilität.

 

patricksommer/pixabay.com – CC0, Public Domain, https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de

 

 

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  • Wolfgang Wähnke wrote on 19.11.2018

    Inzwischen habe ich das Gefühl, dass die Deutsche Umwelthilfe (DUH) für die Autolobby immer mehr zum Buhmann wird. Die DUH kämpft für die Einhaltung des bereits seit 2010 EU-weit gültigen Grenzwerts für das gesundheitsschädliche Stickstoffdioxid (NO2) von 40 Mikogramm pro Kubikmeter und eigentlich kann es doch nicht sein, dass gesundheitliche Aspekte von anderen Aspekten verdrängt werden