Eine Frau hält am Meer ein Baby in die Höhe. Die Sonne geht unter und die Frau und das Baby sind durch die glühende Sonne im Hintergrund nur in schwarz zu sehen.
Vânia Raposo/pixabay.com, CC0 Public Domain
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22. Mai 2017

Wenn Kinder unsere Zukunft sind, was dürfen sie dann kosten?

Die Ausgaben für Soziales, insbesondere für Kinder und Jugendliche, und hier wiederum verstärkt die Hilfen zur Erziehung, setzen Kommunen finanziell unter Druck. So haben allein die Hilfen zur Erziehung deutschlandweit im Jahr 2014 über acht Milliarden Euro in Anspruch genommen. Oft werden diese Hilfen in solchen Kommunen besonders benötigt, die auch in anderen Bereichen mit einer schwachen Sozialstruktur und der damit einhergehenden finanziellen Belastung zu kämpfen haben.

Recht auf Unterstützung für Kinder und Jugendliche

Jedes Kind und jeder Jugendliche hat mit seiner Familie ein gesetzlich verbrieftes Recht auf Unterstützung (Hilfe zur Erziehung), wenn sie dieser bedürfen, um sich gut zu entwickeln. Leider finden sich in der Realität immer wieder Hinweise darauf, dass oft nicht die fachlich gebotene Unterstützung für die Familie, sondern die Kassenlage der Kommune und das Angebot vor Ort die Art der Hilfe für das Kind oder den Jugendlichen und seine Familie bestimmen. Denn trotz des Rechtsanspruchs, den der Bund gesetzlich festgeschrieben hat, liegt die Ausgestaltung einer Hilfe zur Erziehung im Ermessen der Kommune. Und diese Kommune kann letztendlich nur das Geld ausgeben, das ihr – und wenn auch nur per Kassenkredit – zur Verfügung steht.

Vielfältige Nachteile armer Kommunen

Kinder in armen Kommunen erhalten aber nicht nur weniger Unterstützung, wenn sich Hilfebedarf abzeichnet. Auch präventive Angebote, die beispielsweise über Kitas und Schulen mit dem offenen Ganztag und über die Schulsozialarbeit erbracht werden, sind in armen Kommunen oft weniger gut ausgestattet. Reiche Kommunen können für Eltern beitragsfrei den Kindergartenplatz oder die Betreuung im offenen Ganztag finanzieren sowie mehr Erzieherinnen beschäftigen. Der Kita-Beitrag kann insbesondere für einkommensschwache Familien eine Hürde bedeuten, die den Kita-Besuch einschränkt.

Bedarf an Prävention übersteigt Möglichkeiten der Kommunen

Nordrhein-Westfalen versucht durchaus, sich durch das letzte beitragsfreie Kindergartenjahr und Kita plus, durch Familienzentren in belasteten Sozialräumen und die Finanzierung der Schulsozialarbeit diesem Trend entgegen zu stemmen. Ebenso zeigt die wissenschaftliche Begleitforschung der Modellphase von „Kein Kind zurücklassen!“, dass auch arme Kommunen über den offenen Ganztag und die Jugendarbeit in Prävention investieren. Dennoch übersteigt der Bedarf häufig die Möglichkeiten. Arme Kinder in Deutschland geraten so in eine Abwärtsspirale, weil arme Kinder aus armen Familien in armen Kommunen schlechtere Chancen haben, über eine gelingende Bildungsbiografie diesem Teufelskreis zu entkommen – im Gegensatz zu Kindern aus einem anderem sozialen Umfeld.

Wie kann die Politik wirksame Hilfen gewährleisten?

Die Willensbekundungen der Politik jeglicher Couleur zur Förderung von Bildung und Teilhabe verweisen in eine gute Richtung. Doch wenn arme Kinder mit Unterstützungsbedarf wirklich wirksame Hilfe erhalten und auch ihr Bildungsweg erfolgreich sein soll, werden aus meiner Sicht drei Stränge nicht konsequent verfolgt:

  1. Die Einrichtung flächendeckender Präventionsangebote für alle (jungen) Eltern, über die die Familien entweder durch Hebamme oder Kinderarzt oder durch Besuche vom Jugendamt informiert werden.
  2. Die ausreichende personelle Ausstattung von Kitas und Schulen mit unbefristet angestellten und gut qualifizierten Kräften – insbesondere in sozialen Brennpunkten. Diese können die notwendige Förderung im sprachlichen, sozial-emotionalen und sportlichen Bereich kontinuierlich gewährleisten. Sie sollten nicht – wie bisher häufig – Gefahr laufen, nach Beendigung eines Fördermittel-finanzierten Programms ihre Arbeit nicht fortsetzen zu können. Eine kontinuierliche Beziehung zwischen Kind und Erziehendem oder Lehrendem ist die Basis für eine erfolgreiche Entwicklung.
  3. Bei der Auswahl einer Hilfe zur Erziehung muss der Bedarf des Kindes oder Jugendlichen mit seiner Familie im Zentrum stehen – nicht die Kassenlage der Kommune, nicht das Angebot vor Ort und nicht die Diagnostik oder Methode der letzten Fortbildung im Jugendamt.

Selbstbestimmtes Leben für jedes Kind

Vieles ist bereits auf den Weg gebracht worden, doch sollte noch deutlich stärker darauf geachtet werden, inwieweit wirklich alle Kinder mit Unterstützungsbedarf von den Angeboten erreicht werden. Dies erfordert auch dringend weitere Überlegungen zu einer dauerhaft auskömmlichen Finanzierung, insbesondere für sozialstrukturell belastete Kommunen. Nur so haben auch Kinder aus benachteiligten Milieus wirklich eine Chance, später ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben zu führen.

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