Das Foto zeigt die beiden Damen im Austausch auf dem Kongress Demo.
Im Dialog: Gesine Schwan und Kirsten Witte
Diesen Beitrag teilen
3. November 2015

Elemente intelligenter Haushaltsführung

Sparen und Investieren

Der DemoKongress 2015 stand unter dem Motto „Starke Kommunen für die Aufgaben von Morgen“. Am 29. und 30. Oktober 2015 suchten Fachleute aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft in Vorträgen, Diskussionen und Workshops den Dialog mit kommunalen Entscheidungsträgern.

Ich hatte das Vergnügen, in der Rubrik „Kommune lokal“ über Sparen und Investieren zu diskutieren:

Doppelte Belastung für Kommunen

Die Ausgangsfragen auf meinem Panel orientierten sich an folgender Beschreibung: Viele deutsche Kommunen stehen vor einer doppelten Belastung. Sie sind verschuldet und auf einen ausgeglichenen Haushalt bedacht. Gleichzeitig leidet die öffentliche Infrastruktur an massivem Investitionsstau. Daraus resultierten u.a. folgende Fragestellungen: Welche Chancen bieten trotz Geldnot kommunale Investitionsprogramme? Mit welchen Finanzierungsmodellen kann der Investitionsstau gelöst werden? Kann der Zusammenschluss von Gemeinden zu Kommunalverbünden ein Anreiz für die Zukunft sein? Sind nachhaltiges Sparen und intelligente Infrastrukturmaßnahmen Gegensätze? Welche Chancen bieten die vom Bund beschlossenen Entlastungen für die Kommunen?

Ein weites Feld – mein Beitrag

In diesem weiten Feld kann man lange und ausgiebig diskutieren. Hier sind nur einige meiner zentralen Anregungen. Im Zentrum steht für meinen Begriff, dass „intelligente“ Haushaltsführung auf jeden Fall nachhaltig ist – oder sein muss. Gerne verlinke ich hier auf die Ergebnisse unseres Projektes Nachhaltigkeitsstrategien, die wir im Juni 2015 auf einer größeren Konferenz vorgestellt haben.

Zudem folgt der Punkt, dass die OECD finanzpolitische Nachhaltigkeit so definiert – mehrdimensional:

  • als Zahlungsfähigkeit der Regierung (»government solvency«),
  • stabiles Wirtschaftswachstum (»stable economic growth«),
  • stabile Steuern (»stable taxes«) sowie
  • intergenerationelle Gerechtigkeit (»intergenerational fairness«)

Ungleiche Chancenverteilung

In unserem kommunalen Finanzreport von 2015 zeigt sich: Zum dritten Mal in Folge erwirtschafteten die Städte, Gemeinden und Kreise im Jahr 2014 einen Überschuss. 240 Millionen Euro betrug das bundesweite Plus in den Kommunalhaushalten. Doch belegbar ist damit auch: Von allgemeiner finanzieller Gesundung kann keine Rede sein. Denn die Kassenkredite steigen weiter und die Kluft zwischen Arm und Reich wächst. Wachsende Disparitäten zeigen sich:

  • Wirtschaftsschwache Ostkommunen (wirkt sich erst beim Auslaufen des Ost-Soli in voller Dramatik aus)
  • Westkommunen mit hohen Sozialausgaben
  • Kommunen mit entspannten Haushalten führen zu sich selbst verstärkendem Abwärtstrend, aus dem die Kommunen sich aus eigener Kraft schwer lösen können.

Handlungsbedarf auf föderaler Ebene

Ein besonderer Augenblick richtet sich auf die Neuordnung föderale Finanzverfassung mit den Aspekten der Altschuldenfonds und des Ausgleichs der Wirtschaftskraft. Auch der Aspekt des Ausgleichs der Sozialkostenbelastung von rd. 5 Mrd. für Wohngeld im Rahmen von Hartz IV ist ein wichtiger Punkt, das zeigt unsere Studie dazu: Die Sozialausgaben belasten die Haushalte der Kommunen mit bis zu 58 Prozent. Trotz guter Konjunktur sind in den vergangenen zehn Jahren die Sozialausgaben der Kommunen um mehr als 50 Prozent gestiegen. In 2014 summierten sie sich bundesweit auf rund 78 Milliarden Euro, berechnet unsere Studie. 2004 hatten sie noch bei 51 Milliarden Euro gelegen. Vielen Kommunen bleibt dadurch kaum noch Handlungsspielraum. In Flensburg etwa binden die Sozialleistungen inzwischen 58 Prozent des Etats. Ein weiterer Aspekt ist die Bund-Länder-Koordinierung bei Investitionsförderung, zum Beispiel beim Breitband. Das alleine wäre schon eine eigene Betrachtung wert, daher mehr an anderer Stelle.

Intelligentes Investieren setzt intelligente Steuerung voraus

Hier seien nur kurze Stichpunkte genannt, wie etwa die Thematik, dass die „Doppik“ den Investitonsbegriff besser abzeichnet als es die „Kameralistik“ vermochte. Hier sei auf das gemeinsame Projekt Doppikvergleich.de mit de KGST hingewiesen. Ferner gehören zu dieser Argumentation auch die Themen:

  • Kommunale Ausgliederungen (Stadtwerke etc. müssen mit in den Fokus genommen werden)
  • Mangelnde Kongruenz zwischen gesellschaftlichem und haushalterischen Investitions- und Kostenbegriff.
  • Mangelnde Kongruenz zwischen fiskalischen Kostenträgern und Profiteuren gesellschaftlicher Investitionen (Kommunen investieren; Bund, Länder und Sozialversicherungen profitieren)
  • Mangelnde Kongruenz politischer und investiver Zeithorizonte

Die Diskussion war insgesamt sehr aufschlussreich – sie zeigt: Wir sind auf dem Weg aber lange noch nicht angekommen. Elemente intelligenter Haushaltsführung sind daher Elemente, die erst mit der Zeit Wirkung entfalten. Es lohnt sich, jetzt damit anzufangen.

Mit mir zusammen saßen auf dem Podium:

  • Reiner Brill, Erster Stadtrat und Stadtkämmerer der Kreisstadt Eschwege;
  • Sabine Tischendorf, Expertin für Kommunal- und Landesfinanzen, SPD Brandenburg;
  • Ulf Buschmann moderierte.

Zudem waren wir auch mit einem Infostand zu den Themen unseres ProgrammsLebenswerteKommune vor Ort. Wer mehr dazu lesen möchte, klicke gerne rein.

Diesen Beitrag teilen
Kommentar verfassen