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Digitalisierungsschub durch die Coronapandemie? Digitale Kompetenzen nehmen in der Gesellschaft kaum zu

Von Homeschooling über Homeoffice bis hin zu digitalen Behördengängen, kaum etwas hat die Gesellschaft bis weit in das Jahr 2021 hinein so umfassend beeinflusst wie die Coronapandemie. Diese hat damit aber auch die Relevanz und erneut den Mehrwert von Digitalisierung und digitalen Technologien für unsere moderne Gesellschaft verdeutlicht. Doch stiegen die digitalen Kompetenzen der Nutzerinnen und Nutzer in den vergangenen zwei Jahren nur minimal, während die Anforderungen und die Relevanz digitaler Technologien im Alltag steigen.

Unsere vergleichende Analyse „Digital Souverän 2021: Aufbruch in die digitale Post-Coronawelt?“, durchgeführt vom Marktforschungsinstitut Kantar in unserem Auftrag, zeigt nun erstmals: Die Befragten schätzen digitale Technologien und den souveränen Umgang mit ihnen nach einem Jahr Corona insgesamt höher ein als noch vor zwei Jahren (2019). Für vier von zehn Befragten ist die Nutzung des Internets nun noch wichtiger als vor der Coronapandemie. Vor allem jüngere Menschen und Frauen äußern heute einen Bedeutungszuwachs des Internets , bei Älteren und Männern ist dies weniger ausgeprägt. Und je höher der Bildungsgrad, desto wichtiger ist für die Befragten auch, das Internet zu nutzen. Ein Vergleich der Daten von 2019 und 2021 zeigt insgesamt eine digitale Spaltung entlang den Faktoren Alter, Bildungsgrad und Haushaltsnettoeinkommen.

In den letzten Jahren konnte der digitale Graben in Bezug auf den Zugang zum Internet verringert werden, doch allein der Zugang zum Internet ermöglicht keine Teilhabe – er stellt lediglich die Eintrittskarte in die digitale Gesellschaft dar. Und auch hier gibt es Nachholbedarf: rund 91,9 % (Stand 2019) der privaten Haushalte sind mit Breitbandinternet ausgestattet, noch immer gibt es diesbezüglich merkliche regionale Disparitäten zwischen den Bundesländern 

 

Die Pandemie verschärft die digitale Spaltung

Knapp die Hälfte der 14- bis 29-Jährigen gibt an, dass die Internetnutzung für sie, verglichen mit der Zeit vor der Coronapandemie, nun wichtiger geworden ist. Diese Altersgruppe ist für ihre Bildung und auch im Arbeitsleben meist besonders auf das Internet angewiesen, beispielsweise aufgrund von Fernunterricht an Schule oder Hochschule. Die Altersgruppen der 30- bis 39-Jährigen, 40- bis 49-Jährigen und 50- bis 59-Jährigen messen der Internetnutzung im Durchschnitt mehr Bedeutung bei als etwa die Generation 60+.

Die Ergebnisse der Studie zeigen jedoch unerwartbares: Je älter die Befragten sind, desto weniger wichtig ist die Internetnutzung im Vergleich zur Zeit vor Corona. Dabei sind es gerade die Älteren, die von der Anwendung digitaler Technologien profitieren könnten: Etwa indem sie dadurch trotz Kontaktbeschränkungen vielfältige soziale Beziehungen herstellen und pflegen können sowie bestimmte Besorgungen und Erledigungen über das Internet tätigen könnten. Je älter, desto schlechter schätzen die Befragten allerdings die eigenen Kenntnisse im Bereich digitaler Technologien ein. Der allgemein angenommene „Digitalisierungsschub“ und ein damit einhergehender Bedeutungszuwachs der Internetnutzung zeigt sich somit für die Gruppe der über 60-Jährigen nicht.

 

Sicherheit im Umgang mit digitalen Technologien stagniert

Wer sich im Internet sicher bewegt und im Umgang mit digitalen Technologien und Geräten wie Smartphones, Tablets und Computer sicher fühlt, der erfüllt eine wichtige Voraussetzung zur Stärkung der eigenen digitalen Kompetenzen. Insgesamt bleibt das selbst eingeschätzte Sicherheitsgefühl bei den Befragten im Vergleich zu 2019 jedoch auf einem vergleichbaren Niveau. Lediglich ein Fünftel der Befragten fühlt sich im Umgang mit dem Internet und mit digitalen Technologien „sehr sicher“, knapp die Hälfte (45 Prozent) fühlt sich „eher sicher“.

Großer Wunsch nach mehr Unterstützungsangeboten

In der Pandemie zeigt sich die große Bedeutung eines menschlichen sozialen Netzwerks, das bei den unterschiedlichsten Fragen auch persönlich mit Rat und Tat zur Seite steht. Für Ältere ist vor allem die Möglichkeit, Fragen zum Umgang mit neuen Technologien an Freunde und Familienmitglieder stellen zu können, eine gute Voraussetzung, um Kenntnisse aufzubauen und die eigenen Problemlösungskompetenzen zu stärken.

Zwar lösen die Befragten Fragen sowie Probleme bei der Nutzung des Internets im Vergleich zu 2019 nun stärker selbst, doch rund die Hälfte wünscht sich Unterstützungsangebote zum Erlernen digitaler Kompetenzen. Mehr als die Hälfte wünscht sich Hilfe in Form von Lernvideos oder Onlinekursen (58 Prozent), knapp die Hälfte Lernangebote außerhalb des Internets, wie beispielsweise Volkshochschulen und Bibliotheken (48 Prozent). 46 Prozent fänden die telefonische Unterstützung durch einen qualifizierten Computerexperten sinnvoll, 42 Prozent die Unterstützung durch einen Computerexperten, der persönlich nach Hause kommt.

Digitale Kompetenzen ermöglichen gesellschaftliche Teilhabe

Wenn es durch die Coronapandemie einen Digitalisierungsschub gegeben haben sollte, dann lässt er sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht eindeutig in messbaren Faktoren, wie etwa einer höheren Informiertheit, besseren digitalen Kenntnissen oder einem sichereren Umgang, erfassen. Zwar  ist die Nutzung des Internets für viele in der Bevölkerung und auch unter den Befragten wichtiger geworden, der Ausbau der eigenen Kenntnisse hält mit dieser Entwicklung allerdings nicht Schritt.

Die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben wird allerdings ohne die Weiterentwicklung der eigenen digitalen Kompetenzen zunehmend schwerer. Es sind ziel- und altersgruppenspezifische Angebote nötig, bei denen Nutzer:innen individuell lernen können und wollen. Gerade dort, wo die Familie und Freunde nicht die ersten Ansprechpartner:innen sind, etwa in Alten- und Pflegeheimen, sollten digitale Zugänge, Unterstützungsstrukturen und Lernangebote geschaffen werden. Besonders für Ältere sollten Lernmöglichkeiten und -orte durch gemeinsame Initiativen verstärkt alltagsnah entstehen, zum Beispiel in Volkshochschulen, Stadtteil- und Begegnungszentren in den Kommunen, Bibliotheken oder Bürgertreffs. Bei Jugendlichen sollten digitale Kompetenzen stärker im Lehrplan verankert werden.

 

Bildnachweis:

Rodion Kutsaev / Unsplash – Unsplash License, https://unsplash.com/license

 

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