© Thomas Kunsch
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7. Dezember 2018

Altersarmut abgesagt?

Wir hatten noch nie eine im Durchschnitt noch so reiche Rentnergeneration und wir werden auch nie wieder eine so reiche Rentnergeneration haben. Auch ist die Gefahr von Armut im Kindes- und Jugendalter deutlich größer als im Alter.
Zudem boomt die Wirtschaft seit Jahren und immer noch lautet ein Satz der sozialen Marktwirtschaft, dass es den Menschen gut geht, wenn es der Wirtschaft gut geht.
Trotzdem liest man ständig von der dramatisch steigenden Altersarmut, auch wenn die offiziellen Altersarmutsquoten 2016 kurzfristig stagnierten und in einigen Kommunen sogar rückläufig sind, wie ein Blick in unseren Wegweiser zeigt, wobei hier nur willkürlich einige Kommunen ausgewählt wurden.

Zum Beispiel sanken in NRW die Leistungen zur Grundsicherung im Alter nach SGB XII landesweit minimal von 4,0 % in 2015 auf 3,9 % in 2016 und dies gilt auch für einige andere Städte. Verantwortlich hierfür werden auch die Rentenerhöhungen gemacht, die in den letzten Jahren durchaus beachtlich waren.
Allerdings gilt es zu bedenken, dass gerade Ältere oft keine Anträge auf Grundsicherung stellen, obwohl sie antragsberechtigt wären und damit die Quote eigentlich viel höher wäre.

Steigende Renten, stagnierende Altersarmut und trotzdem mehr Überschuldung

Trotz steigender Renten steigt auch die Zahl der überschuldeter Älterer, wie die Auskunftei Creditreform kürzlich vermeldete. Bei den über 70-Jährigen stieg die Überschuldung innerhalb von 12 Monaten um 35,6 % und im Fünfjahresvergleich sogar um 138 %. Bei den Jüngeren ist die Überschuldung dagegen rückläufig.
Die hohe prozentuale Steigerung liegt allerdings auch an der noch relativ niedrigen Überschuldungsquote von 2,04 % bei den über 70-Jährigen im Vergleich zur Gesamtquote von 10,04 % für alle Altersklassen.

Niedriglöhne und Rentenreform vergrößern Armutsrisiko

Als Hauptursachen für die langfristig wachsende Altersarmut sowie das wachsende Verschuldungsrisiko gelten zuerst die Rentenreform, zusätzlich auch das Anwachsen des Niedriglohnsektors sowie auch die veränderten Erwerbsbiografien. Um den gewohnten Lebensstandard halten zu können steigt die Beschäftigungsquote Älterer und leider auch die Überschuldungsquote.
Weitere Ursachen sind die steigenden Energiekosten und vor allem die teilweise stark steigenden  Mietkosten, die einkommensschwache Haushalte besonders stark belastet,
Laut Creditreform ist Wohnen ist zumindest in Großstädten zum Armutsrisiko geworden. Die Mietbelastungsquote liegt bei vielen Armutsgefährdeten inzwischen bei über 50 Prozent.
Und nicht zu vergessen: Frauen haben ein deutlich größeres Armutsrisiko!

Große Unterschiede zwischen den Kommunen

Ein Blick in unseren Wegweiser zeigt, dass es große Unterschiede zwischen den Kommunen gibt. Berlin, Hamburg, Köln, München oder Frankfurt sind Beispiele, denn dort steigen die Anteile von Menschen, die Leistungen zur Grundsicherung im Alter nach SGB XII beziehen, überdurchschnittlich.
Demgegenüber stagnieren die Altersarmutsquoten in ländlichen Regionen von Sachsen-Anhalt oder Sachsen schon seit Jahren bei noch 0,5 %. Noch – denn dort werden die Altersarmutsquoten aufgrund der Beschäftigungsverhältnisse der letzten Jahre zukünftig deutlich wachsen.
Auch hier gilt wieder der Satz: Jede Kommune hat unterschiedliche Problemlagen und muss individuelle Lösungen entwickeln, um die Folgen von Armut zu lindern und ihre Entstehung zu vermeiden. Was Kommunen gegen Altersarmut tun können finden Sie in diesem Beitrag.

Rentnerbewegung der ,,Gelben Westen‘ als Zukunftsszenario?

Niedriglöhne, Werkverträge, Leiharbeit, Minijobs, Teilzeitarbeit und andere atypische Beschäftigungsverhältnisse sind in den vergangenen 20 Jahren stetig gewachsen und inzwischen sind hier mehr als ein Fünftel beschäftigt.
Für die nahe Zukunft ist auch angesichts sich eintrübender konjunktureller Rahmenbedingungen und möglicher Zinssteigerungen nicht mit einer nachhaltigen Entspannung der Armutsquoten zu rechnen. Künftig kann daher von einer weiteren Armutszunahme gerade für die Rentner ausgegangen werden
Vielleicht werden wir ja in einige Jahren verarmte Rentner in gelben Westen auf den Straßen erleben, die – wie in Frankreich – das öffentliche Leben blockieren, demonstrieren und randalieren.

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  • Angela Stein-Ulrich wrote on 13.12.2018

    Ich glaube nicht, dass verarmte Rentner*innen in gelben Westen hier auf die Straße gehen um das öffentliche Leben zu blockieren und zu randalieren. Die Menschen die heute arm sind, gehören zu denen mit den gebrochenen Erwerbsbiographien, vorher prekären Arbeitsverhältnissen und langen Zeiten der Arbeitslosigkeit. Sie haben sich vorher in der Arbeitslosenbewegung auch nicht organisiert und heute fehlt ihnen die Motivation für eine politische Auseinandersetzung, Armut ist eher apathiesierend. Hinzu kommt noch das Gefühl der Beschämung und Ohnmacht. Wir wissen auch, dass Armut physisch wie auch psychisch krank macht. Und wer sich krank und matt und hilflos fühlt, dem fehlt auch der Mut zu einer aktiven Artikulation der Situation, dem oder der fehlt der Mut sich in der Öffentlichkeit hineinzubegeben. Der/die kämpft nicht mehr.
    Deshalb müssen wir alles dafür tun, dass die Rentner*innen eine existenzsichernde Grundsicherung bekommen .

    • wwaehnke wrote on 14.12.2018

      leider muss ich da voll zustimmen: Wer arm ist, ist auch eher krank, eher einsam, stirbt früher und beteiligt sich auch nur unterdurchschnittlich häufig an Wahlen.